Weiterführende Diagnostik

Vitamin D-bindendes Protein (VDBP), freies und Gesamt-Vitamin D

Was tun, wenn der Vitamin-D-Spiegel nicht ansteigt?

Der 25(OH)D-Spiegel (Calcidiol) im Serum ist das gängige Barometer zur Bestimmung der Versorgungslage von Vitamin D in unserem Körper. Die Erkenntnisse fast aller Studien zur gesundheitlichen Wirkung von Vitamin D beruhen auf der Bestimmung der Calcidiol-Werte. In den meisten Fällen ist dieser Wert auch ein zuverlässiger labordiagnostischer Parameter. In einigen Fällen jedoch (z.B. bestimmte Erkrankungen, Schwangerschaft, niedrig-normale Calcidiol-Werte) und insbesondere dann, wenn der Vitamin-D-Spiegel trotz Supplementation nur unzureichend ansteigt, ist eine erweiterte Diagnostik zur Vitamin-D-Versorgung in unserem Körper erstrebenswert.

Formen und Stoffwechselwege von Vitamin D

Die Bildung von aktivem Vitamin D ist ein mehrstufiger Prozess (s. Abb. 1). Zunächst wird in der Haut aus 7-Dehydrocholesterol durch die UVB-Strahlen des Sonnenlichts das Provitamin D3 gebildet. Durch Körperwärme entsteht aus dieser Vorstufe das inaktive Vitamin D3, das in der Fachsprache auch als Cholecalciferol bezeichnet wird. Vitamin D3 kann zusätzlich auch über bestimmte Lebensmittel oder – meistens erforderlich – in Form von Nahrungsergänzungsmitteln aufgenommen werden.

Das über die Haut und Nahrung aufgenommene Vitamin D3 wird im Blut an das Vitamin-D-Bindungsprotein VDBP gebunden (zu einem geringen Anteil an Albumin) und in die Leber transportiert. In den Mikrosomen der Leber wird es durch das Enzym 25-Hydroxylase in 25(OH)D (Calcidiol) umgewandelt. Calcidiol ist der gängige labordiagnostische Parameter zur Feststellung eines möglichen Vitamin-D-Mangels. 

Freies und gebundenenes Calcidiol

Der Großteil des Calcidiols (> 95 %) gelangt nun wieder, gebunden an VDBP (90 %) und zu einem kleinen Teil an Albumin (< 10 %), in die Blutbahn. Deutlich weniger als 1 % des Calcidiols ist ungebunden und damit frei verfügbar. Nach der „freien Hormon-Hypothese“ ist es somit biologisch aktiv und kann membrangängig mittels Diffusion in die Zielzellen vieler Organe gelangen. In den Zielzellen wird Calcidiol nun mithilfe des Enzyms 1-alpha-Hydroxylase in 1,25(OH)2D (Calcitriol), die aktive Form von Vitamin D, umgewandelt. Dieses Enzym findet sich nicht nur in der Niere sondern auch in zahlreichen anderen Geweben wie z. B. in der Haut, in Makrophagen und Monozyten, Prostatazellen und Osteoblasten. Dieser Stoffwechselweg von Vitamin D wird als parakriner bzw. autokriner Weg bezeichnet, da das entstehende Calcitriol eben parakrin bzw. autokrin, also innerhalb desselben Gewebes, wirkt. Diese lokale Aktivierung dient damit nicht der Regulation des Kalziumhaushalts, sondern reguliert mittels Bindung des Vitamin-D-Rezeptors (VDR) je nach Zielzelle eine Vielzahl von Genen mit unterschiedlichen, vor allem immunregulatorischen, Wirkungen.

Abbildung 1: Vitamin-D-Metabolismus (modifiziert nach Gröber und Holick, 2020)

Der an VDBP gebundende Großteil des Calcidiols wiederum wird, anders als das freie Calcidiol, nach und nach mithilfe des Rezeptorproteins Megalin in die Niere aufgenommen (Megalin befindet sich v.a. in der Niere und zu einem kleinen Anteil auch in Plazenta und Nebenschilddrüse). Das passiert nicht alles auf einmal, weshalb das an VDBP gebundene Calcidiol auch als Speicherform bezeichnet wird. In der Niere wird Calcidiol von seinem Transportprotein abgespalten und ebenfalls mithilfe des Enzyms 1-alpha-Hydroxylase in Calcitriol umgewandelt. Dieses in der Niere entstandene Calcitriol wird wieder in die Blutbahn abgegeben, zum Teil im Blut wieder an VDBP gebunden. Dieser endokrine Weg ist insbesondere für die Wirkungen von Vitamin D auf die Calciumaufnahme im Darm und die Knochenmineralisierung wichtig.

Erkrankungen und Polymorphismen beeinflussen freies Calcidiol

Die gängige Vitamin-D-Messung im Serum unterscheidet nicht zwischen freiem und an VDBP bzw. Albumin gebundenen Calcidiol, daher kann es auch als Messung des Gesamt-Vitamin D bezeichnet werden. Der Spiegel an freiem Vitamin D korreliert zwar grundsätzlich mit dem Gesamt-Vitamin D, es gibt allerdings zunehmend Hinweise, dass in manchen Fällen Abweichungen auftreten können.

So kann es sein, dass trotz ausreichendem Gesamt-Vitamin D verminderte Konzentrationen des freien Calcidiols vorliegen und umgekehrt. Anders als vermutbar wird der VDBP-Spiegel nämlich nicht direkt durch das Angebot an Vitamin D reguliert. Da VDBP in der Leber synthetisiert wird, können beispielsweise Erkrankungen der Leber (gestörte Proteinsynthese) oder auch der Niere (erhöhter Proteinverlust) zu einem erniedrigten VDBP-Spiegel bzw. im Endeffekt auch zu einem geringeren Gesamt-Vitamin D führen. Bei Schwangerschaft, Östrogentherapie und auch Übergewicht erhöht sich der VDBP-Spiegel durch die Stimulation der Sexualhormone. Das Gesamt-Vitamin D ist während der Schwangerschaft daher erhöht, obwohl nicht mehr freies Calcidiol als bei nicht-schwangeren Frauen zur Verfügung steht.

Zudem kann der VDBP-Spiegel von Polymorphismen im VDBP-Gen beeinflusst werden. Zwei bereits mehrfach dokumentierte Polymorphismen (rs7041 und rs4588 oder T420K) haben alleine oder in Kombination einen großen Einfluss auf den VDBP-Spiegel im Blut und modifizieren zudem die Bindungsaffinität von VDBP für Vitamin D. Die einzelnen Varianten sind unterschiedlich in der Bevölkerung verteilt. Auch in diesem Fall kann die Folge sein, dass trotz ausreichendem Gesamt-Vitamin D ungenügend freies Calcidiol zur Verfügung steht oder umgekehrt.

Diagnostik

Die direkte Bestimmung von freiem Calcidiol ist nur in einigen wenigen Laboren möglich. Der Wert sorgt für eine bessere Beurteilung der Versorgungslage und ermöglicht somit eine optimierte individuelle Dosierung. Der Normwert im Serum liegt bei > 5,8 pg/ml.

Die zuvor beschriebenen Erkrankungen und Polymorphismen können dazu führen, dass VDBP in unterschiedlichen Konzentrationen auftritt und, dass die Affinität zu Vitamin D verändert ist. Der Marker ist daher wichtig für die Gesamt-Beurteilung des Versorgungszustandes, vor allem falls der Wert von freiem Calcidiol nicht mit dem Wert des Gesamt-Vitamin D korreliert. Zu beachten ist außerdem, dass auch Gewebezerstörung (Zelltod) den VDBP-Spiegel kurzfristig deutlich senken kann. Der Normwert von VDBP im Serum liegt bei 200–550 µg/ml.

Die Bestimmung des Gesamt-Vitamin D umfasst das an VDBP bzw. Albumin gebundene und das freie Calcidiol im Blutserum. Der Marker ist das gängige Barometer zur Bestimmung der Versorgungslage von Vitamin D in unserem Körper, erlaubt jedoch lediglich eine Schätzung der tatsächlichen Vitamin-D-Versorgung. Der Normwert im Blutserum liegt bei 30–60 ng/ml.

Bei einer erweiterten Diagnostik kann zudem noch der Plasma-Wert von intaktem Parathormon gemessen werden. Dieser ist ein Marker für einen gestörten Calciumstoffwechsel. Ein erhöhter Wert spricht dafür, dass Calcium im Blut aufgrund eines Calcitriol-Mangels dauerhaft erniedrigt ist (sekundärer Hyperparathyreoidismus). Ein häufiger Grund dafür ist eine sich anbahnende Niereninsuffizienz besonders bei älteren Personen. Der Normwert im EDTA-Plasma liegt bei 14,5–87,1 pg/ml.

Empfehlung

In den meisten Fällen ist eine normale Überprüfung des Gesamt-Vitamin D-Spiegels ausreichend, beim Hausarzt oder – noch einfacher – mit einem Labortest, den Sie zuhause durchführen können. Bei Cerascreen beispielsweise erhalten Sie zusätzlich Aufschluss über die Verstoffwechslung von Vitamin D, da neben dem Gesamt-Vitamin D auch das Abbauprodukt 24,25(OH)2D gemessen wird.

In welchen Fällen macht eine Messung von freiem Vitamin D (Calcidiol) und VDBP zusammen mit dem Gesamt-Vitamin D Sinn?

                                                                    Serum-Werte bzw. Plasma-Wert (intaktes Parathormon)
Freies Vitamin D (Calcidiol)
Normal
Erniedrigt
Erniedrigt
Normal
Normal bis hoch
VDBP
Erniedrigt
Normal
Erniedrigt oder normal
Normal
Erhöht
Gesamt-Vitamin D
Erniedrigt
Normal
Erniedrigt
Normal
Erhöht
intaktes Parathormon (bei erweiterter Diagnostik)
Normal
Normal oder erhöht
Normal oder erhöht
Normal
Normal bis erniedrigt
Fall 1
Fall 2
Fall 3
Fall 4
Fall 5

Fall 1: Erste Entwarnung. Die aktuelle Vitamin-D-Dosierung kann beibehalten werden.

In der Praxis kommt dieser Fall häufig vor, wenn es trotz einer Supplementation nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-Vitamin D kommt. Die Ursache des nicht oder nur langsam ansteigenden Gesamt-Vitamin D können Erkrankungen oder Gen-Polymorphismen sein.

Fall 2: Achtung. Trotz normalem Gesamt-Vitamin D ist eine Supplementation bzw. eine Erhöhung der Dosierung notwendig.

Positive Gesundheitseffekte bleiben trotz Supplementation und normalem Gesamt-Vitamin D-Spiegel aus? Dann könnte Fall 2 mit einem erniedrigten freien Calcidiol-Wert der Grund sein. Ursache dieser Konstellation können Erkrankungen, Schwangerschaft und Gen-Polymorphismen sein. Eine Erhöhung der Dosierung sowie eine erneute Messung des freien Calcidiols nach mehreren Wochen ist angeraten.

Fall 3: Der typische Fall. Eine Supplementierung bzw. eine Dosiserhöhung ist angeraten.

Die Höhe des Gesamt-Vitamin D korreliert in diesem Fall mit dem freien Calcidiol. Es ist davon auszugehen, dass bei einer Supplementierung bzw. Dosiserhöhung sowohl das Gesamt-Vitamin D als auch das freie Calcidiol ansteigt.

Fall 4: Alles im Lot. Die aktuelle Vitamin-D-Dosierung kann beibehalten werden.

Fall 5: Gefahr der Intoxikation. Die Vitamin-D-Dosierung sollte reduziert werden.

Ein massiv erhöhter Gesamt-Vitamin D-Spiegel aufgrund einer zu hohen Vitamin-D-Dosierung kann zu einem erhöhten Calciumspiegel im Blut und weitergehend zu Nierensteinen bzw. Nierenversagen führen.

 

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